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Gegen Erkenntnistheorie
(für Erkenntnispraxis)
Mittwoch, 5. Dezember 2007
Wettbewerb "Der schönste erste Satz"
Hier möchte ich nun endlich meinen Beitrag zum Wettbewerb "Der schönste erste Satz" nachreichen, den ich wider Erwarten leider nicht gewonnen habe. Natürlich bin ich mit Ernst Jünger ins Rennen gegangen. Ich nahm den ersten Satz aus...


Das Abenteuerliche Herz. Erste Fassung.
Aufzeichnungen bei Tag und Nacht.


„Es wäre mir unmöglich, für meine Person die starke Anteilnahme aufzubringen, deren Vorhandensein ich nicht leugnen kann, verliehen mir nicht zwei Umstände eine gewisse Sicherheit.“

Wenn ich sage, dass ich diesen Satz liebe, so ist dies keine Übertreibung. Ich wusste sofort, welchen Satz ich wähle, ich musste keinen Augenblick lang nachdenken. Dies ist der großartige Anfang zu einem großartigen Buch.
Es mag sein, dass hier meine Liebe zum ganzen Buch auch irrational auf den ersten Satz übertragen wird – dass ich gewissermaßen jeden Buchstaben dieses Werks liebe –, doch fällt mir das bei diesem Satz ganz besonders leicht, denn das Thema, um das es geht, ist ein sehr Wesentliches. Hier spielt die Kenntnis des ganzen Buches dann auch eine ganz sachliche Rolle, weil sich das Verständnis für die „Anteilnahme“, von der er spricht, erst mit dem Lesen des Buches vertieft und vervollständigt. Man könnte sagen, dass das Großartige dieses Satzes genau darin besteht. Er hält nicht nur, was er verspricht, sondern noch viel mehr. Es wird einem erst später klar, dass die „Anteilnahme“ Jüngers für sich selbst praktisch das gesamte Wunder des Seins mit einschließt. Dann sieht man in diesem Satz wahrscheinlich auch das, was ich in ihm sehe: Eine prägnante Kurzformel, die, wie der Same den Baum, als Potential bereits das gesamte Buch beinhaltet.
Das Thema der Anteilnahme eines Menschen für sich selbst ist aber auch in gewöhnlicher Hinsicht von elementarer Bedeutung. Zumindest wirft die Frage, ob man sich zu einer solchen bekennen kann, ein interessantes Licht auf das Weltbild einer Person und darauf, welches Verhältnis diese zu sich selbst hat. Mit Blick auf die Gesellschaft darf man es sicherlich als gegeben annehmen, dass große Teile der Bevölkerung diesbezüglich gewisse Verunsicherungen erfahren haben. Sie haben z.B. gelernt, den Menschen in völlig undifferenzierter Weise als schlecht zu betrachten, oder dass die Kommunikation mit sich selbst etwas sehr Schwieriges und Fehleranfälliges sei. Viele Menschen haben so in unterschiedlichem Ausmaß ein auf sich selbst gerichtetes Misstrauen entwickelt. Eine souveräne und angstfreie Unterscheidung zwischen einer „richtigen“ und „falschen“ Anteilnahme für sich selbst ist dann kaum mehr möglich, manchmal sogar noch nichtmal der prinzipielle Glaube an die Möglichkeit einer richtigen und guten Anteilnahme für sich selbst. Ernst Jünger setzt hier mit seinem ersten Satz ein schönes Kontra. Für diese Randgruppe, die vielleicht größer ist als man glaubt und zu der auch ich ein bißchen gehöre, ist das Buch beginnend mit dem ersten Satz nicht nur schön, sondern heilsam. Jünger demonstriert, dass man auch anders denken kann. Dabei verblüfft er mit großer Sachlichkeit und Zielstrebigkeit.
Mit Verblüffung oder Verwunderung könnte ich auch die Stimmung des ersten Lesens beschreiben. Doch ahnte ich natürlich noch nicht, welche tiefe Wertschätzung ich für dieses Buch und diesen Satz entwickeln würde. Auch wird man durch die logische Struktur schnell voran zu den nächsten Sätzen geleitet und merkt fast nicht, was man eigentlich gerade gelesen hat. Dies sei aber keine Schwäche des Satzes, sondern eher des oberflächlichen Lesers. Auch sollte man das ganze Buch unter dem Gesichtspunkt betrachten, dass es ein Werk ist, das man wieder und wieder liest, und dessen Genuss sich wie bei einem Stück Musik durch wiederholten Konsum und genauere Kenntnis steigert. Dass es den Leser an Kompaktheit, innerem Gehalt und „Schnelligkeit“ anfangs überfordert und doch gleich sehr eingängig ist, ist das Merkmal einer gewissen Art guter Kompositionen.




Der Gewinnersatz stammt übrigens aus dem Roman "Der Butt" von Günter Grass: "Ilsebill salzte nach."
(da dürfte die hier sich drüber freuen...)

http://www.der-schoenste-erste-satz.de/index.php




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Stille

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